Selbstheilungskräfte des Körpers

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Unser Körper ist auf Knopfdruck in der Lage, Höchstleistungen zu erbringen und sich bei Bedarf zu regenerieren.  Wie mobilisiert man diese Kräfte konkret? Durch Gefahr! Betrachten wir die Anfänge der Menschheit: Biologisch zählt der Mensch zu den Säugetieren. Als solche sind wir entweder Jäger oder Beute. Der Mensch ist körperlich eher ein Beutetier und dazu angelegt, große Strecken (täglich ca. 20 km zu Fuß) zur Nahrungssuche zurückzulegen, um nach Einbruch der Dunkelheit eine Höhle oder einen Baum zum Schlafen aufzusuchen.  Die Menschen damals folgten als Jäger den Herden, bzw. sammelte Beeren, Blätter und Pilze. Sie waren in der Lage, große Lasten auf ihren Köpfen zu transportieren, das können wir heute noch bei Afrikanern und anderen Naturvölkern  beobachten. Dabei wird die Last eher balanciert. Getragen wird sie  von einer Lebens- und Aufrichtekraft, die jedem Menschen eigen ist, und bei einem entspannten Muskeltonus den Körper von innen her aufrichtet. Ich nenne sie Primal Force, zu Deutsch „Urkraft“. Jeder Mensch hat diese Urkraft in sich, und kann sie bei Gefahr direkt über das Stammhirn direkt aktivieren und sich so aus gefährlichen Situationen befreien. Im Moment der Jagd, bzw. einer realen Gefahr schaltet der Sympathikus, ein vegetativer Nerv, den Flucht/ Kampfmodus ein. Aktiviert durch das Stresshormon Adrenalin werden alle Funktionen des Körpers kurzfristig eingeschränkt bis auf Sinne, Gehirn und Muskelaktivität. Das setzt fast unbegrenzte Kraftreserven frei, so dass der Mensch auch einen Angreifer besiegen oder ihm entkommen kann, der eigentlich viel größer und stärker ist.  In diesem Zustand ist er absolut wach, und in der Lage, blitzschnell zu handeln Reflexartig entscheidet er, alles, was belastet, z.B. ein verletzter Gefährte, zurückzulassen. Er sieht auf einmal ganz klar, dass nur diese eine Entscheidung ihn oder die Gruppe/den Stamm wirklich weiterbringt und dass er keine andere Wahl hat, als so zu handeln. Nach der Entscheidung dehnt sich seine Wahrnehmung so aus, dass es sich anfühlt, als würde die Zeit langsamer laufen. Gleichzeitig wird der Verstand ruhig, mentaler und emotionaler Druck verschwinden. In diesem erhöhten Wahrnehmungszustand sieht er den Weg deutlich vor sich, und ist bereit, für die kollektive Freiheit, den Preis des Verlustes eines Einzelnen zu zahlen. Doch auch der „zurückgelassene“ Gefährte kommt in diesen friedlichen, schmerzlosen Zustand, er trifft diese bewusste Entscheidung, sich als Beute zur Verfügung zu stellen zugunsten des Überlebens des Stammes. Ganz bewusst ergibt er sich in sein Schicksal, jetzt für etwas Größeres sein Leben zu lassen. Sein Denken wird friedlich und sein Körper wird mit schmerzstillenden und Glückshormonen (Cortisol und Dopamin) überflutet. Das gilt auch für verletzte Körperteile, deswegen spürt man bei Unfällen im Schock keinen Schmerz und kann sich retten. Ist unser Urmensch der Gefahr entkommen, und wieder in seiner sicheren Höhle, schaltet der Körper vom hochfokussierten Status wieder auf normale Sinnesempfindlichkeit um. Der Parasympathikus übernimmt und der Blick wird wieder weit. Die Muskeln werden weich, der kreative Teil in uns erwacht zum Leben, und wir beginnen, zu reden, tanzen, lachen, singen, malen, etc., um die Stresshormone durch den SELBST-AUS-DRUCK wieder aus dem Blut abzubauen. Jetzt meldet sich auch Hunger, die Verdauung springt an. Während des Feierns und Erzählens fährt der Körper immer mehr runter und fällt schließlich in einen erholsamen Schlaf. Aus dieser Ruhe heraus beginnt er sofort mit Regeneration, Reparaturen und Verjüngung, Fortpflanzung, Wachstum und Reinigungsprozessen, und die Reste der Stress-Hormone werden aus dem Blut gezogen und umgebaut, um die parasympathischen Aktivitäten anzuschieben. Soweit der Urmensch und für dessen Lebensweise hat dieser Wechsel von Anspannung und Entspannung hervorragend funktioniert, denn er beschleunigt Körperprozesse und hält beweglich. 

Ganz anders ist es jetzt im 21. Jahrhundert. Wir haben unser Leben so eingerichtet, dass es uns auf einem  sicheren Lebensniveau bis ins hohe Alter trägt. Dieses gleichbleibende Niveau geht einher mit schleichendem Verlust der Vitalität, und so kreiert man sich im Leben bewusst und unbewusst Situationen, die die  Stress-Mechanismen hormonell aktivieren sollen, ohne aber in Gefahr zu bringen.  Das sind z.B. alle Filme, Romane, Hörspiele, Musik, aber auch immer extremere körperliche Aktivitäten, die den Körper an und über seine Grenzen bringen. Die Spanne reicht von Fitness-Studios über Leistungssport, intensiven Ausdauersportarten, aber auch Extremsportarten wie Bungee-Jumping, Snowboarden, Kitesurfen, etc., bei denen der Körper sich mit den Naturkräften auseinandersetzen muss. Eine abgeschwächte Form der Adrenalinausschüttung  bekommt man durch Computer-Spiele, bei denen es ja auch um einen Wettkampf geht, sowie durch das Schauen von Drama, Action- oder auch Horrorfilmen. Leider hat das nicht den gleichen intensiven Effekt wie ein echtes Erleben. Es hält den Körper im Leerlauf, dreht hoch, verbraucht Zeit, Material und Energie- aber man kommt nicht voran. So ist man durch körperfremde Lebensweise und Umwelt einem dauernden latenten mittleren Stresslevel ausgesetzt, dass die  Nebenniere, die das Stresshormon bildet, bei den meisten Menschen mit Anfang 40 regelrecht leer gepresst und erschöpft ist- es fehlt an Lebensfeuer. Wie beim Boot, das ein Leck hat, wird die Beweglichkeit und Lebenskraft immer weniger. Ohne die Intensität des realen Erlebens von Gefahr erreichen die Stresshormone nicht die hohen Dosen, die ihrerseits Tiefenentspannung hervorrufen können. Die Amplitude wird kleiner, die Gegenpole nähern sich immer mehr an. So dümpelt der moderne Mensch jahrelang auf einem Level der gleichzeitigen körperlichen Erschöpfung und innerer und äußerer Anspannung dahin. Um trotzdem noch bewegungsfähig und einigermaßen aufrecht zu sein, müssen die Faszienschichten verkleben, sich verdrillen, verkürzen und Muskelkraft zu Hilfe holen. Dafür wird viel von der Urkraft-Energie benötigt,  was natürlich die Beweglichkeit und Belastbarkeit einschränkt. Aufrecht stehen und gehen wird anstrengend. Die unbelebten Beine tragen den Körper nicht mehr ausreichend und so hat sich der moderne Mensch überall Ausruhstationen platziert, von denen er aber im Gefahrenfall und zur Nahrungsaufnahme aufspringen kann: Stühle und Sofas. Im Sitzen hat man weiterhin den Überblick, kann aber den Druck der Schwerkraft aus seinen Beinen in die Erde ablenken. Da die Nahrungsaufnahme heutzutage viel leichter und schneller geht, fällt auch die stundenlange rhythmische Bewegung der Beine und Füße zu 99% weg und diese werden nicht mehr ausreichend versorgt mit Zu- und Abflüssen von Nährstoffen bzw. Abfallstoffen. Die Beine schwellen an. Dies koordiniert die Lymphe. Sie sammelt alles, was der Körper nicht verstoffwechselt hat und schwemmt es in die Leber und den Rest in die Faszie. Bei konkreten Verletzungen baut sie einen inneren Verband darum und schützt den oft noch mit einer emotionalen Alarmanlage. So trennt sie die verletzte Region vom Tagesgeschehen ab, und schafft im Körper „Reha-Räume“, in denen dann die Urkraft sich entfalten und Heilung initiieren kann. Sehr sinnvoll bei jeder Art von physischen Verletzungen, unterscheidet die Lymphe nicht zwischen Verletzungen auf physischer oder psychischer Ebene, und so kapselt sie auch emotionale Verletzungen in der Faszie ab. Die organisiert sich um die Verkapselungen, die als sogenannte Myogelosen zu druck- und zugschmerzhaften Knötchen im Bindegewebe werden. Trifft jetzt ein Reiz die Umgebung einer solchen eingekapselten Emotion, wird diese reaktiviert und meldet sich in Form von Schmerz. Der Schmerz ist ein Hinweis, dass die Regenerationsphase abgeschlossen ist und die Verkapselung von außen wieder abgebaut werden kann.  Soweit der Mechanismus. Bei wenigen Verkapselungen ist das noch gut zu verarbeiten. Heutzutage sind aber schon in einem Kinderkörper allein Tausende dieser emotionalen Verkapselungen. Je mehr derartigen Reizen und Impulsen unser Körper im Laufe des Lebens ausgesetzt ist, desto mehr verkapseln sich, bis der Körper starr und gleichzeitig hochempfindlich wird, wie ein Minenfeld. Mit Entgiftungsmaßnahmen, intensivem Sport, aber auch durch Sitzen, chillen und Schmerzmittel werden die Knötchen zwar beruhigt, aber nicht aufgelöst. Nur, wenn man sie gezielt ansteuert mit einem nahezu identischen Reiz und / oder die verkapselte Faszie durch exakten Druck entspannt und DANN von außen wieder in Bewegung bringt, können sich die Ladungen lösen und der Körper bewegt sich wieder in die Ursprungsform zurück.  

Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir um wieder von alleine in lebendige Harmonie zu kommen, paradoxerweise erst bewusst die Gegenkräfte verstärken müssen.  Die Dissonanzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit sind wichtig, und müssen ausgehalten werden, statt sie zu nivellieren. Elektrische Spannung und damit Vitalität im Körper entsteht NUR durch Polarität aus der Amplitude von starker körperlicher Aktivität mit Anspannung und Tiefenentspannung. Je mehr wir Menschen wieder lernen, LEBEN als diese beiden wechselnden Zustände abwechselnd BEWUSST zu initiieren, desto vitaler und fitter werden wir und unser Körper heilt sich selbst und verjüngt sich noch dazu!

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