Freude am gemeinsamen Erfolg
Die Freude am gemeinsamen Erfolg ist ein sehr ungewöhnlicher Aspekt in der Corporate World. Das liegt vor allem daran, dass betriebliche Organisationen lange Zeit hierarchisch strukturiert waren, und jede Abteilung mit der anderen in Konkurrenz war. Der Erfolg der einen Abteilung bedeutete dann oft die Niederlage der anderen. Da dies auf lange Sicht aber eher kontraproduktiv ist, steht in Organisationen immer mehr der Wandel von der hierarchischen Ordnung hin zur Netzwerkorganisation an, mit dem Erfolgsprinzip Kooperation statt Konkurrenz. Wie dieses Prinzip die Einstellung zum Erfolg erfreulicherweise in Betrieben wandelt, ist eine spannende Entwicklung. Als Expertin für Change-Management habe ich mich sehr viel mit diesem Wandel beschäftigt und nehme Sie mit auf eine kleine Zeitreise:
Von der Heiligen Ordnung zur Netzwerk-Organisation – Regieren bald die Affen den Zoo?
„Die ideale Organisationsform der Zukunft scheint eine flexible, weitestgehend hierarchielose, hochinnovative Netzwerkorganisation zu sein, die sich als Teil ihrer Umwelt versteht und deshalb die Chance hat, die Veränderungen in ihrer Umwelt aufgrund erhöhter Sensibilität rechtzeitig wahrzunehmen.
- Sie befindet sich in einem permanenten Lern- und Veränderungsprozess
- Sie passt sich mühelos mit Hilfe von Selbstorganisation an ihre veränderte Umwelt an
- Ihre wichtigste Ressource ist das Humankapital
- Das organisationale Lernen in lokalen und globalen Kontexten wird durch sensible, flexible und teamfähige WissensträgerInnen in den Organisationen sichergestellt
- Wissen, Veränderungsfähigkeit und Geschwindigkeit sind kritische Erfolgsfaktoren.
Und: „die Leistungsfähigkeit von Organisationen hängt maßgeblich von der Flexibilität und der Vielfalt der organisationsinternen Strukturen und Prozesse ab. Neben Veränderungsfähigkeit ist vor allem ein gut funktionierendes Zusammenspiel von Menschen unterschiedlichster Art und Herkunft ein wesentlicher kritischer Erfolgsfaktor“
So lautete die Expertinnen-Prognose meiner Masterthesis im Jahre 2006 mit dem Titel „Management am Rande des Chaos!?“. Ich war zu dieser Zeit Mitte 40, Projekt-Managerin und Inhouse Consultant Logistics bei einem marktführenden Technologiekonzern der Lichtbranche und half mit, dessen globale Supply Chain zu transformieren in eine sogenannte end-to-end Supply Chain. Die Beschäftigung mit der Systemtheorie und mit posthierarchischen Organisationsmodellen der Zukunft im Rahmen des berufsbegleitenden MBA für systemische Organisationsentwicklung und Beratung an der Universität Augsburg, gaben mir Orientierung im „Umbruchschaos“ um mich herum und versetzte mich auch in die Lage, den Menschen in meinem Einflussbereich eine Idee zu geben, worauf wir bzw. das gesamte Wirtschaftssystem langfristig hinarbeiten. In der gemeinsamen Projektarbeit lernten wir, abteilungs- und organisationsübergreifend zu denken und zu handeln. Wir lernten, manchmal unter Schmerzen, unser Silo-Denken zu überwinden, abteilungs- und bereichsübergreifend zu kommunizieren und Wissen zu teilen. Kurz: zu kooperieren, statt zu konkurrieren und die Supply Chain konsequent in internationaler Zusammenarbeit an den Bedürfnissen des Marktes und der Zufriedenheit der KundInnen auszurichten, statt an der Taktung der Werke und Fertigungen. Und gerade in der Projektarbeit lernten wir, die Früchte von Kooperation statt Konkurrenz als Team zu ernten, Erfolge als unsere gemeinsamen wahrzunehmen und gemeinsam zu feiern. Dieser unglaubliche Spirit prägte mich und meine Arbeit und machte aus mir eine engagierte operative Managerin und Führungskraft, die es verstand, aus heterogenen Gruppen schnell performende, diverse Teams zu formen, auf gemeinsamen, abteilungsübergreifenden Erfolg auszurichten und nötige Veränderungskurven proaktiv anzugehen und gemeinsam zu durchleben, statt sie zu meiden.
Standortbestimmung Transformationsprozess – oder: welche Kurve müssen wir gemeinsam meistern?
Zwischen damals und heute liegen 15 Jahre und mein eigener kurvenreicher Transformationsprozess von der erfolgreichen Managerin und Führungskraft mit Konzernkarriere im disruptiven Umfeld zur selbständigen Unternehmensberaterin. Die Prognose von damals ist m.E. auf dem Weg, Wirklichkeit zu werden. Der Abbau der Hierarchie als Organisationsprinzip, den die Management-Konzepte der 1990iger weltweit in Gang setzten, wird weitervorangetrieben und moderne Organisationskonzepte wie das Agile Unternehmen oder New Work, zahlen darauf ein – genauso wie die Digitalisierung. Durch sie entsteht gerade ein den Erdball umspannender Informationsraum als neuer sozialer Handlungs- und Produktionsraum. Das Internet als dessen „Betriebssystem“ durchdringt und vernetzt die ganze Welt, sowohl die physische als auch die virtuelle, und ermöglicht Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen, Mensch-Maschine und Maschine-Maschine, unabhängig von Ort und Zeit. Die „boundaryless company“ (Jack Welch) ist dabei, Wirklichkeit zu werden. Ob wir nun wollen oder nicht: wir sind alle betroffene und beteiligte ZeitzeugInnen eines grundlegenden Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft ins Industriezeitalter 4.0. Initiiert durch Innovationssprünge des technologischen Fortschritts und beschleunigt durch die Covid-19 Pandemie werden die Herausforderungen für den Einzelnen immer größer und führen zu Überforderung auch mit massiven gesundheitlichen Folgen. Leben und arbeiten im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung heißt sich einzulassen auf einen gigantischen sozioökonomischen Modernisierungsprozess mit offenem Ausgang, der nicht mehr kontrollier- und steuerbar scheint. Längst lugt das „Chaos“ unverhohlen durch das Netz der „heiligen Ordnung“, der Hierarchie, hervor und Demokratisierung bricht sich Bahn – sowohl in Unternehmen als auch in der Welt-Gesellschaft und wird an vielen Stellen brutalst von den Herrschenden niedergedrückt. Viele Menschen, Unternehmen und Organisationen fühlen sich überrollt und überfordert von der Geschwindigkeit und der Komplexität der Veränderungsanforderungen. Ängste und Unsicherheit machen sich breit, denn es fehlt an Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit Change-Prozessen in komplexen Kontexten und vielfach auch an einer attraktiven, sinnlichen Zukunftsvision. Diese Vision gemeinsam zu kreieren und wie eine Fackel hochzuhalten, ist Aufgabe der Führung. Sie ist der Orientierungspunkt im Wandel und der Leuchtturm für die gesamte Belegschaft.
Die Verantwortung für die Verwirklichung liegt aber paradoxerweise bei einem selbst. Jeder Einzelne ist jetzt aufgefordert, sich in Selbstorganisation danach auszurichten, sich all seinen Herausforderungen zu stellen, daraus zu lernen und dann natürlich diese Erfolge auch zu teilen und zu feiern! Auf diese Weise trägt die Vision das Team ins Ziel. Versteht man sich selbst als Teil eines so ausgerichteten Teams, dann sind die Herausforderungen, die im Betrieb auftreten, sehr viel leichter zu meistern, als wenn Vorgesetzte ihren MitarbeiterInnen Aufgaben übertragen und die Erledigung kontrollieren.
Nehmen wir es dann doch besser sportlich! Im Sport ist das ganz einfach: Betrachten wir die Abläufe im Mannschaftssport, wie z.B. im Fußball. Dort lernt man, dass ein Sieg nur gemeinsam als Team zu erreichen ist und spielt genau darauf hin. Gemeinsam eine große Aufgabe mit vollem Einsatz anzugehen, erzeugt eine ungeheure Kraft und Dynamik, die sich produktiv entladen kann und auch muss. Das hohe Tempo, das heutzutage im Betrieb vorgelegt wird, erfordert eine stete Anhebung der Performancefähigkeit des Teams, was man durch eine emotionale Aufladung erreichen kann. Eine solche Aufladung ist z.B. eine gemeinsame Feier, bei der dann einerseits der Weg des einzelnen gewürdigt wird, andererseits aber auch die gemeinsame Leistung anerkannt und so die Zugehörigkeit gestärkt wird. Orientieren kann man sich dabei tatsächlich am Sport. Bei einem Sieg der Mannschaft feiert nicht nur das Team, sondern ein ganzes Stadion bis hin zu einer ganzen Nation!
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